Solange Knowles scheitert scheppernd in der Elbphilharmonie - WELT (2024)

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Zumutung fürs Publikum

Knowles scheitert scheppernd in der Elbphilharmonie

Von Helmut Peters

Veröffentlicht am 17.09.2019Lesedauer: 4 Minuten

Ehrgeizig komponierte Sängerin Solange Knowles eigens für die Hamburger Elbphilharmonie neue Stücke mit Spezialorchester. Doch bei ihrem einzigen Deutschlandgastspiel mutete sie ihrem Publikum einiges zu.

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So schlecht besucht sieht man den Großen Saal der Elbphilharmonie eher selten. Leere Plätze gab es am Montagabend vereinzelt selbst im Parkett und auf der Ebene 12, in den oberen Rängen blieben ganze Stuhlreihen unbesetzt. Dabei hatte sich doch die kleine Schwester der Popikone Beyoncé für ihr einziges Deutschlandgastspiel überhaupt angekündigt.

Unter dem Motto „Witness! Composed and Directed by Solange Knowles“ wollte sie ein eigens für die Elbphilharmonie erstelltes Programm präsentieren und scheiterte prompt an viel zu hoch gesteckten Ansprüchen. An die Erfolge ihres dritten Studioalbums „A Seat at the Table“ von 2016 und der mit einem Grammy Award ausgezeichneten Singleauskopplung „Cranes in the Sky“ konnte sie damit jedenfalls nicht anknüpfen.

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Geduldsprobe für das Publikum der Elbphilharmonie

Vielleicht war es schon ein Fehler der R&B-Spezialistin und Songwriterin, die auch für ihre Schwester Beiträge geliefert hat, angesichts des Klassiktempels Elbphilharmonie ausgerechnet für ein 23-köpfiges Orchester schreiben zu wollen. Ein Orchester wohlgemerkt, mit dem sie arrangierend und komponierend überhaupt nicht umzugehen verstand und das qualitativ noch dazu auf dem Niveau eines Spielmannszuges musizierte. Kein Spaß. Die Zusammensetzung von schlecht gestimmten, ja fast schon im Abstand von Vierteltönen schief zusammenspielenden Trompeten und noch schrägeren Posaunen war auch für den wohlwollendsten Hörer eine harte Zumutung.

Aber bevor dieses betäubende Orchester mit seinen Satin-Anzügen in Barbierosa überhaupt erst auftrat, wurde das Publikum auf eine arge Geduldsprobe gestellt. Erst wurde der Saal mit halbstündiger Verspätung für die wartenden Fans freigegeben, und dann saß man dort und durfte Techniker beim Verlegen und Verkleben von Kabeln beobachten. Drahtlose Mikros wurden mit frischen Batterien bestückt, aufgesteckt und wieder abgenommen. Dann erschien ein Mitarbeiter und legte Spickzettel, vermutlich mit der Reihenfolge der zu spielenden Stücke, vor jedes Pult.

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Es verging fast eine Stunde nach angekündigtem Beginn des Konzerts, bevor die ersten Musiker erschienen. Zuvor hatte es im Publikum schon etliche Pfiffe und Buhrufe gegeben. Als das Orchester dann endlich erschien, passierte wieder nichts. Um nicht gar so blöd dazustehen, entschied der am Schlagzeug sitzende Leiter, drei schräge Tuschakkorde anzustimmen, die im Raum verhallten und die Leute ebenso ratlos zurückließen, als hätte niemand einen Ton von sich gegeben. Hinter dem Orchester waren sechs Tänzerinnen zu sehen, die stocksteif in Reihe standen und auf die Chefin Solange zu warten schienen. Noch einmal erklangen die lächerlichen Akkorde, die umso lächerlicher waren, als die Intonation des sonderbaren Ensembles einfach nicht in den Griff zu bekommen war.

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Das nun wiederum lag auch an den wirklich extravaganten Instrumenten. Solange Knowles hatte eine Mischung aus klassischem Orchester mit Streichern, einer Flöte, einem Klavier und Blechbläsern mit einem Drumset, Pauken und einer Ansammlung von Keyboards zur Begleitung gewünscht. Gewagt war aber darüber hinaus der Einsatz von drei sogenannten Sousaphonen, typisch amerikanischen Bauformen der Tuba, die eigentlich in Militärkapellen beliebt waren und sich seit Ende des 19. Jahrhunderts auch für andere Zwecke emanzipierten.

Begleitet von einem breiartigen und wabernden Klanggemisch, das von einer Schülerband am Anfang der Mittelstufe locker in den Schatten hätte gestellt werden können, traten endlich Solange und zwei sie begleitende Sängerinnen auf. Auch die Tänzerinnen begannen sich zu bewegen. Von Choreografie allerdings keine Spur, denn sie schritten nur von rechts nach links im Bühnenhintergrund und verschwanden erst mal wenig spektakulär durch eine geöffnete Tür ganz vom Podium.

Auch Solange kann nicht tanzen, obwohl sie beachtliche Figuren ausprobierte und sogar einen Spagat vom vorderen Podiumsrand in die erste Sitzreihe wagte. All das zu viel schlechter Musik. Mit wummernden Bässen und viel zu laut ausgesteuert, sodass man den Text gar nicht verstehen konnte.

Billige Refrains und taumelnde Akkordfolgen

Erfolgssongs aus dem Repertoire Solanges wie „Headache“, „Grace“ oder „Beltway“ waren dabei, das mit einem zwölfmal wiederholten „Don’t, don’t, don’t“ beginnt und sich dann in der Erkenntnis „Du liebst mich“ erschöpft. Das schier endlose Wiederholen von bedeutungslosen Lauten wie „Ahh, ahh, ahh“ oder „Ooh, ooh“ in Solanges Songs ist ein Merkmal ihrer Songaufbauten, das in schlichten, ungeschickt aneinandergereihten Akkordfolgen im Orchester sein Pendant findet. Wenn dann dazu auch noch die Einsätze der Instrumentalisten klappern und die Sängerinnen ebenso wenig wie die Tänzerinnen synchron einsetzen können, dann wirkt das fast schon peinlich und stellt die Dürftigkeit der kompositorischen Vorlage umso mehr bloß.

Nicht ein bemerkenswertes Solo im Orchester frischte die Eintönigkeit auf. Dafür baute Solange zuweilen atonale Passagen in ihre Arrangements ein, die nicht der ungenügenden Intonation ihrer Musiker anzulasten waren, sondern tatsächlich den Anschein von Modernität erwecken sollten. Das klang dann mal kurz wie ein etwas aus der Form geratener John Cage, aber auch nur für Sekunden, denn die billigen Refrains und taumelnden Akkordfolgen rückten wieder alles in die traurige Realität dieses künstlerischen Ereignisses zurück. Solange hat erst im März ein neues Album mit dem Titel „When I Come Home“ auf den Markt gebracht, womit sie ihrer Heimatstadt Houston huldigen wollte. Sie hätte es lieber im Original gesungen und auf ein Elbphilharmonie-Orchester besser verzichtet.

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